Kritik: der Seelentröster
Der Standard, Stefan Weiss 30.11.2016
Der Kabarettist präsentiert sein neues Solo "Der Seelentröster"
Wien – Für die Gehirnforschung ist das Zentrum, in dem unsere
Ängste sitzen, eine Spielwiese mit Zukunft. Vieles muss und
kann da noch entdeckt werden. Da die kollektive Angst aber
auch ein recht gegenwärtiges Phänomen ist, obliegt es
Kabarettisten, das hochkomplexe System auf Erbsengröße
herunterzutransmittern. Bei Pepi Hopf findet die Entdeckung der
Wissenschaft konsequent zwischen Wirtshaus, Gemüsebeet
und Sportplatz statt. Also genau dort, wo heute noch echte
Menschen leben, wie man im jüngsten Wahlkrampf erfahren
durfte.
Es sind diese fehlenden Berührungs.ngste mit dem
Stammtisch, die das Kabarett des Simmeringer
Wahlniederösterreichers so anschlussfähig machen. Das
Hinschauen auf Augenhöhe, das ihn von anderen unterscheidet.
Mit seinem neuen Programm Der Seelentröster – am Dienstag
hatte es im Kabarett Niedermair Premiere – macht Hopf das
gute Dutzend voll. Seit 1996 steht der 46-Jährige auf
Kleinbühnen, daneben verdient er sein Geld als Biobauer. Aus
dieser Erfahrung heraus gelingt Hopf immer öfter eine kritische
Handreichung zwischen Stadt und Land, die .berbrückung
jener Kluft, die mit jeder Wahl lauter beklagt wird.
Algen gegen das Altwerden
Als Seelsorger bleibt Hopf ohne Kanzel und Zeigefinger. In den
"Ängsten, die es ernstzunehmen gilt", bohrt er trotzdem ein
wenig tiefer als bis zum vorletzten Sommer. Er erinnert sich,
dass die Struwwelpeter-Erziehung der Anna-Tant' ihn schon
recht früh die "Angst vorm schwarzen Mann" gelehrt habe. Dass
sich der kleine "Korl" im Kopf, wie er sein Angstzentrum nennt,
davon nur unvollständig erholt habe. Und dass er der Anna-
Tant', als sie in Lainz beim Sensenmann angelangt war, zum
Dank für die nachhaltige Erziehung am liebsten Ludwig Hirsch
vorgespielt hätte.
Der Tod, die zentralste aller Urängste, ist es auch, auf die
Religionen aller Erdteile seit jeher ihre Existenz gründen, weiß
Pepi Hopf. Daran mitnaschen könne auch so mancher Guru, wie
er am fiktiven Beispiel seiner angstgesteuerten Frau erklärt: So
dürfe er wegen den Gefahren des Elektrosmogs abends im Bett
nur noch mit Stirnlampe unter der Decke lesen, während in der
Küche wegen des vorsichtshalber umgelegten FI-Schalters der
Kühlschrank wässrig wird. Zu Mittag gebe es dafür Algen, "weil
die Japaner damit recht alt werden sollen".
Ironische Zuflucht vor alldem bietet Hopf auch in diesem
Programm in Form heilsam-nostalgischer Anekdoten aus den
Siebzigerjahren. Die Angst vor der großen Koalition habe man
zum Beispiel noch beim Spielen von "Mensch ärgere dich nicht"
abgebaut. Lustig und tatsächlich tröstend verknüpft Pepi Hopf
Zeiten, Regionen und Generationen miteinander und wirft die
Frage auf, ob den Kitt der Gesellschaft vielleicht am Ende gar
der Humor ausmacht. (Stefan Weiss, 30.11.2016)