Kritik: der Seelentröster

Die Kleinkunst 02.12.2016

Was nun für die Seele tröstend ist, mag wohl recht individuell sein. In der unseligen Vorweihnachtszeit (ich verwende bewusst nicht den besinnlichen Ausdruck "Advent") könnte man eher an alkoholische Getränke, wie Punsch denken. Was versteht nun Pepi Hopf unter "Seelentröster", wollte DieKleinkunst-Redakteur Markus Freiler wissen. Unterhaltsame und doch tiefsinnige Antworten bekam er darauf bei der Premiere im Kabarett Niedermair.

 

 

Keine "Angst", Pepi Hopf ist nicht unter die Esoteriker gegangen, um unsere Seelen zu trösten, sondern ist bodenständig geblieben, so wie wir es von seinen bisherigen Programmen gewohnt sind. Das Bodenständige liegt wohl prinzipiell in seiner Natur und schlägt sich doppelt in seiner Berufswahl nieder: zuerst als Friedhofs- und Ziergärtner, nun als Gemüsebiobauer in Haringsee. Wo das ist? "Waunsd zum Oasch da Wöd unterwegs bist - Haringsee, do bisd scho zweid".

 

Allein, wie Pepi Hopf auf der Bühne "agiert", ist für mich wohltuender Trost in der oft schrillen Welt der Kleinkunst. Er sitzt, in sich ruhend, im Casual-Outfit in der Bühnenmitte und erzählt mit rauchig sonorer Stimme, welche man getrost als seine Trademark bezeichnen darf, den einen oder anderen Schwank aus seinem Leben und fasziniert damit, im wahrsten Sinne, das Publikum. Scheinbar "nur" Alltagsg'schicht'n? Mitnichten! Seine humorigen Erzählungen dienen zur Untermauerung seiner Gedankengänge zum Thema "Angst" und "Furcht". Er greift dabei auf einen reichen Erfahrungsschatz zurück, seien es Kindheits- und Jugenderinnerungen, oder in seiner Rolle als Vater, oder seine Erlebnisse im Mikrokosmos "Dorf".

 

Im Zusammenhang mit der Bundespräsidentenwahl hatte ja das Thema "Angst" mehr Aktualität denn je. Es ist wohl eine prinzipielle Charakteristik der Chefstrategen der politischen Parteien mit den Ängsten des Wählervolks zu spielen, anstatt mir Sachpolitik zu punkten. Insofern tritt Pepi Hopf mit seinem Programm als Geisterjäger gegen die heraufbeschworenen Schreckgespenster auf.

 

Hopfs Vergleiche sind meist recht drastisch, aber oft lehrreicher als jedes Psychologielehrbuch. Um den Unterschied zwischen "Furcht" und "Angst" vor Augen zu führen, kommt er auf den Hund. Vor Hunden, welchen einen mehrmals gebissen haben, sei es schon sinnvoll sich konkret zu fürchten. Panik vor Chiwawas haben, welche man praktisch mit der Fliegenklappe erschlagen könnte, das sei aber (oft unergründliche) Angst.

 

"der Seelentröster" wirkt wie eine satirische Enzyklopädie der Phobien. Da darf natürlich die Erörterung der Angst vor Fremden(m) nicht fehlen. Der phylogenetische Ursprung liege in der Angst des Höhlenmenschen, dass sein erlegtes Mamut durch Fremde gestohlen werde. Rotzfrech ist dann die daraus folgende Abwandlung eines Wahlkampfspruchs zu: "Ich schütze euch vor dem Säbelzahntiger, so wahr mir Gott helfe". Zur drastischen Verdeutlichung der Irrationalität der Fremden-Paranoia erzählt er vom Vickerl, welcher sich in der "Bushüttl-Ortschaft" Haringsee vor Selbstmordattentätern ängstigt.

 

Pepi Hopfs psychologischer Trick, mit seiner Angst umzugehen, liegt darin, dass er sie personifiziert und einen Namen gibt, nämlich Karli. Mit diesem steht er immer wieder im Dialog. Das hilft ihm die Ängste abzubauen, welche ihm die boshafte Anna Tant eingeimpft hat oder er von seiner Verwandtschaft "geerbt" hat, wie z.B. seine "Lokusexterritorialphobie".  Dramaturgisch gefinkelt stellt er dann den angstlosen "WeibaraHömerl seiner angstbesetzten "esoterisch verwundbaren" Frau gegenüber. Seine lehrreiche Conclusio aus diesen beiden Extrema: Man müsse seinen Karli immer in einem gesunden Gleichgewicht halten.

 

"der Seelentröster" wirkt wie eine Pandoras Box der Ängste, allerdings mit einer gehörigen Portion an Ironie: Die Angst vor dem Schwarzen Mann, dem Kariesteufel, angeblich ungesunden Lebensmitteln, Elektrosmog, etc. Anstatt einem die Angst zu nehmen, animiert er das Publikum die originellsten Phobien zu (er)finden - auf der Hand liegend, dass es aus dem Publikum "Lachanophobie" schallt.

 

Pepi Hopf zeigt uns auch paradoxe Entwicklungen in einem Menschenleben bezüglich der Angst auf. Erstens "wachst der Karli wieder" im Erwachsenenalter, sobald man sich um das Wohl der eigenen Kinder sorge (Hopf liefert die originellste Definition von Elter: "Plattform für die Revolution des Kindes sein" und entpuppt sich damit als großer Kinder- und Jugendlichenversteher). Zweitens, je weniger Zukunft man vor sich habe, desto mehr Angst habe man vor dieser.

 

Von philosophischer Dimension sind Pepi Hopfs Schlussworte: Wenn er am Ende seines Lebens etwas gelernt haben will, dann, dass er KEINE Angst mehr vor dem Schwarzen Mann habe, sondern dieser ruhig kommen könne. Für mich offenbart sich in diesem Moment nämlich, dass sich Angst in Neugier gewandelt hat. In diesem Sinne ist "der Seelentröster" wirksamer als so manche Psychotherapie!

 

Pepi Hopf ist vielleicht der unterschätzteste Kabarettist. Seine satirischen Betrachtungen sind nicht im feinst ziseliertem Hochdeutsch eines Alfred Dorfers oder Florian Scheubas gehalten, sondern bestechen durch Erzählkraft, welche im breiten Dialekt gehalten ist. Seinem Sohn legt Hopf zwar die Worte in den Mund, er habe "philosophisch noch Luft nach oben". Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Seine Gedankengänge zum Thema "Angst" sind von tiefem Sinn und Lebensweisheit getragen, aber immer mit viel Augenzwinkern.

 

 

DieKleinkunst-Redakteur Markus Freiler

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